Passau. Sie sind immer erreichbar, organisieren Hilfe – und helfen auch selbst am Telefon Leben zu retten: die Disponenten der Integrierten Leitstelle Passau nehmen Notrufe aus den Landkreisen Freyung-Grafenau, Passau, Rottal-Inn und aus der Stadt Passau entgegen. Für die PNP zog der Leiter der Integrierten Leitstelle, Sebastian Fehrenbach, nun eine Bilanz für das Jahr 2021 in Stadt und Landkreis Passau.
Allein aus Stadt und Landkreis Passau hat die ILS im vergangenen Jahr 45107 Notrufe über das Fest- und das Mobilfunknetz entgegengenommen, wie Sebastian Fehrenbach berichtet. Hinzu kommen noch 379 Alarme über Brandmeldeanlagen, 176 Notrufe über das automatische Notrufsystem in Kraftfahrzeugen (eCall) und Notfallmeldungen über sogenannte Notruf-Apps.
Die meisten Alarmierungen entfielen auf Notarzt und Rettungsdienst: Der Rettungsdienst rückte in Stadt und Landkreis Passau zu 24616 Notfalleinsätzen und 24604 Krankentransporten aus. Die Feuerwehren wurden zu 3660 Einsätzen alarmiert. Hinzu kamen 14 Einsätze der Bergwacht und 24 Einsätze der Wasserwacht.
Bei 11758 Notrufen war keine Alarmierung nötig, "die Anrufer hatten sich verwählt oder wollten lediglich eine Auskunft", erklärt Sebastian Fehrenbach. Mal seien es kleine Kinder, die das Telefon ausprobieren, mal sind es Jogger, die aus Zufall eine Taste betätigen und einen "Taschennotruf" absetzen. Doch es geht noch kurioser: Bei manchen Hotels hat die Rezeption die Durchwahl 112. Wählt der hungrige Gast versehentlich nach draußen statt hausintern, landet er statt beim Zimmerservice in der Integrierten Leitstelle.
Aber auch jenseits der Missgeschicke steigen die Anrufzahlen, sagt Fehrenbach, denn "die Hemmschwelle, die 112 anzurufen, sinkt zusehends". Vor allem am Wochenende oder abends, wenn die naheliegende Lösung nicht erreichbar ist, fragen Leute unter der 112 nach, wo sie einen Zahnarzt finden oder einen Heizungsmonteur herbekommen. Zu Beginn der Corona-Pandemie habe ein Mann angerufen, weil er etwas aus China bestellt hatte und nun nicht wusste, ob er es anfassen solle oder lieber nicht, erzählt Sebastian Fehrenbach.
Auch deshalb steigt die Zahl der eingehenden Anrufe in der Leitstelle stetig. Ein weiterer Grund ist die wachsende Zahl von Notrufdiensten, Brandmeldeanlagen und die Rauchmelderpflicht. Im vergangenen Jahr waren es im gesamten Zuständigkeitsgebiet etwa 220000, vor zehn Jahren lag die Jahresleistung der ILS noch bei rund 160000, sagt Fehrenbach.
Die meisten Anrufe aus Stadt und Landkreis Passau im Jahr 2021 erreichten die ILS am 22. und 23. Juni. Am Abend des 22. Juni zog ein heftiges Hagelgewitter über das Passauer Land, hinterließ große Schäden und sorgte mancherorts für Überschwemmungen. Einen Tag später folgte schon die nächste Gewitternacht: 600 Hilfskräfte aus 67 Feuerwehren waren stundenlang im Einsatz – diesmal nicht wegen Hagel, sondern wegen Starkregen, wie das Landratsamt damals berichtete. Allein in jener Gewitternacht erreichten die ILS aus ihrem gesamten Zuständigkeitsgebiet mehr als 1300 Notrufe, allerdings nicht alle wegen des Unwetters.
Der größte Einzeleinsatz im Raum Passau war jedoch auf kein Gewitter zurückzuführen. Die meisten Kräfte wurden am 20. September nach Aidenbach alarmiert, wo in den frühen Morgenstunden in einem Wohn- und Geschäftshaus am Marktplatz ein Großbrand ausgebrochen war. 41 Einsatzmittel wurden für diesen Einsatz von der ILS alarmiert, wie Sebastian Fehrenbach berichtet. Über 200 Feuerwehrleute von 20 Feuerwehren machten sich auf den Weg, darunter auch Wehren aus dem Landkreis Rottal-Inn. Allein schon 60 Atemschutzgeräteträger rückten an. Weil nicht klar war, ob das Feuer auf Nachbargebäude am Marktplatz übergreifen würde, hatte der Einsatzleiter immer wieder nachalarmiert. Über sieben Stunden waren die Einsatzkräfte vor Ort. Verletzt wurde auch Dank ihrer Hilfe niemand.
Doch nicht immer reicht es aus, auf die Einsatzkräfte zu warten, um das Schlimmste zu verhindern. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand lautet die Faustregel: Mit jeder Minute, die ohne Gegenmaßnahmen verstreicht, sinkt die Überlebenschance um zehn Prozent. Deswegen greifen die Profis der ILS in solchen Fällen gleich selbst ein: "Besteht bei einem Notrufgespräch der Verdacht auf einen Herz-Kreislauf-Stillstand, wird nicht nur der nächstgelegene Notarzt und Rettungswagen alarmiert, sondern der Anrufer wird vom Leitstellendisponenten telefonisch zur Wiederbelebung angeleitet und dabei unterstützt", erklärt Sebastian Fehrenbach. Per "Telefonreanimation" können die Disponenten aus der Ferne helfen, Menschenleben zu retten. Diese Telefonreanimation (kurz TCPR) konnte im vergangenen Jahr bei 75 Einsätzen helfen, das therapiefreie Intervall erheblich zu verkürzen und so die Überlebenschancen des Patienten deutlich zu verbessern, wie Fehrenbach sagt.
Eine funktionierende Kommunikation ist im Ernstfall entscheidend. Das darf auch an der Technik nicht scheitern. Die Taktisch-Technische Betriebsstelle (TTB) in der ILS Passau ist der zentrale Ansprechpartner für den betrieblichen und technischen Nutzersupport des Digitalfunks im Bereich Brand- und Katastrophenschutz. Zwei hoch qualifizierte Techniker verwalten, reparieren oder tauschen bei Bedarf alle Funkgeräte. Im Jahr 2021 wurden im Landkreis Passau an 24 Feuerwehrgerätehäusern zehn Festfunkstationen, 336 Fahrzeugfunkgeräte und 1382 Handfunkgeräte vor Ort mit den notwendigen Updates versorgt, wie Sebastian Fehrenbach berichtet.
Auch in der ILS kümmern sich Spezialisten um die Technik: "Um die zuverlässige Funktion der komplexen EDV- und Kommunikationstechnik und um das Einsatzleitsystem kümmern sich im Hintergrund sieben spezialisierte und unentbehrliche Fachkräfte, nämlich zwei Systemadministratoren, ein Softwareentwickler, zwei Funktechniker und zwei Mitarbeiter in Alarmierungsplanung und der Datenpflege", sagt Fehrenbach. Ihre Arbeit ist die Grundlage für den Dienst von "33 hochmotivierten und hoch qualifizierten Disponenten, Schichtleitern und Schichtführern im Schichtbetrieb", wie Fehrenbach aufzählt.
Für eingehende Anrufe stehen in der ILS Passau 72 Leitungen für Notrufe zur Verfügung. Diese können alle gleichzeitig angewählt werden, aber die Anrufe können nicht gleichzeitig bearbeitet werden. "Damit keine längeren Wartezeiten bei besonderen Situationen, wie Unwetter, Blitzeis etc., entstehen, wird das Team durch 28 nebenamtliche Mitarbeiter aus dem Rettungsdienst, Krankenhaus oder Feuerwehr ergänzt", erklärt Fehrenbach hierzu. "Diese Unterstützungsgruppe ist unentbehrlich und wird speziell für die Notrufannahme bei Sonderlagen geschult und laufend trainiert." So können innerhalb kurzer Zeit zusätzliche Abfrageplätze besetzt und bis zu 16 Notrufe gleichzeitig angenommen werden.
Quelle: PNP 21.01.2022 Sabine Kain - Archiv PNP/Bauer