"Gut gemeint, schlecht gemacht: Jüngste Generationen von Handys und Smartwatches setzen manchmal ohne Wissen des Besitzers einen Notruf ab. Das kann passieren, wenn das Gerät eine ungewöhnliche Bewegung registriert oder einen plötzlichen Ruck. 112 wird auch durch Drücken der Seitentaste gewählt.
„Wir hatten heuer schon 15 000 Fehlanrufe“, machte Sebastian Fehrenbach gestern die Dimension für die Integrierte Leitstelle deutlich, die er leitet. Besonders häufig seien sie während der Maidult reingerauscht, „wenn die Leute also in einem Fahrgeschäft mitfuhren.“
Die Folgen sind ernst, denn es ist nicht damit getan, dass halt mal die 112er Leitung belegt wird, sondern die Mitarbeiter der ILS werden so überlastet. „Wir müssen ja jedem Notruf nachgehen. Der Anruf muss geortet und überprüft werden und das kann zeitaufwändig sein“, führte Fehrenbach Kommunalpolitikern vor Augen, die sich gestern im Redoutensaal versammelt hatten. Sie bilden zusammen mit Vertretern von Feuerwehren und anderen Rettungsorganisationen die Verbandsversammlung des ZRF, des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung, der die ILS an der Neuburger Straße betreibt.
Notrufzentralen in ganz Deutschland melden gleiche Probleme. Laut Experten ist der Grund dafür ein Fehler in der aktuellen Version des Android-Betriebssystems (Version 13). „Dadurch kommt es etwa bei Erschütterungen oder teilweise auch beim Ausschalten des Handys dazu, dass die Notruf-Automatik, die sogenannte Emergency SOS, ausgelöst wird.“ Dringend empfohlen wird, ein Update durchzuführen, dann sollte der Fehler behoben sein.
Kein Fehler dagegen ist die Notruffunktion per Seitentaste. „Das kann besonders praktisch sein, wenn man mit einem fremden Handy einen Notruf absetzen muss und nicht weiß, wie dieses entsperrt wird“, heißt es im Werbetext eines Herstellers. „Das ist gut gemeint“, gesteht Jürgen Dupper als ZRF-Vorsitzender zu. Doch häuft diese Erleichterung Fehlanrufe durch ungewollte „Hosentaschen-Anrufe“ an.
Was tun? Fehrenbach setzt auf vier Punkte: technische Lösungen (Update) durch die Hersteller, Öffentlichkeitsarbeit (Sensibilisierung zur richtigen Nutzung von Notrufnummern), Effizienzsteigerung (Notrufannahme in der ILS wird bis 2030 auf 22 Arbeitsplätze erhöht) und Bekämpfung von Notruf-Missbrauch (konsequente Strafverfolgung).
Der letzte Punkt ist ein wachsendes Ärgernis: Für 2022 vermeldet die ILS 17 806 Fehlanrufe und missbräuchliche Notrufe, über 2000 mehr als im Jahr davor. Insgesamt waren im vorigen Jahr 105 104 Notrufe über die 112 eingegangen, ein Plus von rund 14 000 gegenüber dem Jahr 2021.
Die Notrufe sind zwar die vordringliche, aber nicht einzige Aufgabe der ILS, wie die Jahresstatistik zeigt, die Fehrenbach und ZRF-Geschäftsführer Dieter Schlegl vor der Verbandsversammlung deutlich machten. Insgesamt wurden fast 300 000 Kontakte abgewickelt, ein Drittel davon intern zu Feuerwehren, Rettungsdiensten oder Krankenhäusern.
Denen werden Notfall-Patienten zugeteilt, die in aller Regel davor ein Notarzt erstbehandelt hat. „Gibt es überhaupt genügend Notärzte?“, lautete eine Frage aus der Verbandsversammlung. „Wir haben eine erfreuliche Abdeckung von 90 Prozent der Notdienste“, antwortete Dr. Walter Stadlmeyer, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst beim ZRF. „Damit sind wir auf einer Insel der Glückseligen.“
Erfreulich auch die Finanzen: Der ZRF baut weiter Schulden ab, von mehr als einer Million Euro 2021 sank der Stand auf 715 700 Euro Ende 2022."
Quelle: PNP Passau 22.06.2023 // Franz Danninger
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